Ende der Siebzigerjahre war ich mal zum Sommerurlaub mit meinen Eltern und meiner älteren Schwester in Amerika, unserem Geburtsland. Da waren wir etwa zehn und dreizehn.
Die Woche zuvor war David Bowies Song China Girl als Video im Fernsehen erschienen. Ich hatte die Platte und hörte die Kassette im Flugzeug auf meinem Sony Walkman.
Bei unserer Ankunft im JFK Airport gab’s gleich schon tierischen Stress - Papa hatte das gesamte Urlaubsgeld in cash in seiner Brieftasche, mehrere Tausend Dollar.
Die Brieftasche hatte er natürlich in der hinteren Hosentasche, und da ist sie ihm auf dem langen Flug zwischen die Sitze gerutscht.
Das Flugpersonal hatte das Flugzeug schon gereinigt, als er es merkte. Meine Mutter schimpfte kurz, und dann wurde ihr Gesicht zu Stein.
Dann hat ein New Yorker Freund meinem Vater genügend Geld für den dreiwöchigen Urlaub geliehen. Also, alles gut.
Eine meiner besten Erinnerungen an New York ist, wie nur mein Vater und ich auf der Suche nach dem besten Pastrami Sandwich der Stadt durch Midtown streiften.
Ich weiss noch genau, wie wir da halb auf der Strasse standen und aßen. Es war das beste Sandwich, das ich je gegessen habe, ganz alleine mit meinem Papa. Bisschen wie Salami mit mildem Senf und Sauerkraut, zwischen Graubrot. Aber anders.
Nie mehr hat ein Pastrami Sandwich so geschmeckt. Die Straße roch herrlich, sommerlich warm, mit leicht verblichenem Duft nach Müll. Und die gelben Taxis.
Am Nachmittag die Netsuke. Der Laden befand sich im Räumungsverkauf. Mein Vater hatte schon damals den Japan Virus im Blut.
Später ließ er die Netsuke in Zürich im Hotel welches er leitete in den kleinen Schaufenstern im Flur ausgeleuchtet den Hotelgästen anpreisen.
Der New Yorker Ladeninhaber hatte ihn richtig gut abgezogen.
Das wusste meine Mutter damals in NY schon. Ich sehe noch heute, wie mein Vater, von allen verlassen, mit dem Verkäufer im hinteren Teil des Ladens verhandelt.
Wir schliefen im Plaza, mit Sicht auf den Central Park. Unsere Suite glich einer Wohnung, mit verschiedenen Zimmern.
Dort habe ich zum ersten Mal Filme mit den Helden aus meinen Comic Heften, Batman und Robin, im Fernsehen gesehen. Und, die Tochter vom Freund meines Vaters, die lange blonde Haare hatte, machte in unserer Suite Überschläge. Überschläge konnte ich gut, Handstand auch, Kopfstand am längsten, bis Kopf rot.
Dann waren wir bei einem Freund zum Abendessen eingeladen. Ein Ungarischer Einwanderer, der in New York zum Immobilienhai wurde und schließlich zum Botschafter Nixons in Ungarn avancierte. Wir aßen in einem bis zur Decke mit dunklem Holz ausgekleideten Zimmer, im vorletzten Stockwerk. Das letzte Stockwerk war ein Wintergarten, von welchem man auch direkt runter auf den Central Park sehen konnte.
Als wir müde waren, brachte eine schwarze Lincoln Towncar Limo meine Schwester und mich ins Hotel zurück.
Irgendwann haben wir noch im unfertigen, leeren Hard Rock Cafe gegessen, das war kurz vor der Eröffnung. Isaac Tigrett hatte uns im Hotelzimmer abgeholt, der Gründer, er sah aus wie Jesus, mit sehr vielen langen Schmuckketten um den Hals.
Mit ihm hatte mein Papa damals das erste Hard Rock Cafe in London gestartet. Mein Vater hatte seinen kleinen Anteil früh verkauft, aber Isaac hatte ihn gebeten, sich am Hard Rock Cafe New York wieder mit zu beteiligen. Der Cadillac, der damals über dem Eingang aus der Hauswand ragte war Papas Idee.
Vom World Trade Center weiß ich nur noch, wie mein Vater sich zwischen den beiden Türmen rücklings auf den Boden legte, um sie von unten her beide ganz ablichten zu können.
Danach sind wir nach Washington D.C., in die Geburtsstadt meiner Schwester.
Auf meinem Sony Walkman lief jetzt Christopher Cross, Arthur’s Theme.